Carespektive Infothek
Einfluss institutioneller
Organisationen auf den Kapitalmarkt
In Deutschland fokussiert man sich
meist auf den Gedanken der Trennung von
Führung und Überwachung eines
Unternehmens. Dementsprechend wird die
öffentliche Debatte bestimmt von der
Offenlegung von Vorstandsgehältern oder
dem Agieren des Vorstandschefs in Bezug
auf die Aktienperformance. Kaum eine
Rolle spielen aktive
Stimmrechtswahrnehmung, nachhaltige
Investmentstrategien oder
"Socially Responsible Investments"
der institutionellen Kapitalanleger. Während
das Konzept, durch gezielte
Investitionen in nachhaltige Aktien
und Anleihen einen
gesellschaftspolitischen Beitrag zu
leisten, weltweit immer mehr Anhänger
gewinnt, streitet man sich in
Deutschland darüber, ob ein
Vorstandschef auch Aufsichtsratschef
werden sollte. Diese Frage sollte
keineswegs vernachlässigt werden, zeigt
aber doch die Natur der Debatte.
Das Verhalten institutioneller Anleger
ist in dieser Frage einer näheren
Betrachtung wert. Immerhin hat das dort
vorhandene Vermögen mittlerweile das
Volumen der Fonds für Privatinvestoren
deutlich überholt. Berater
institutioneller Investoren stellen aber
hierzulande eine noch immer sehr
zögerliche Haltung fest. Ein viel
genannter Grund für die Zurückhaltung
ist dabei die Renditeentwicklung. Dabei
ist es nicht zwingend so, dass so
genannte Clean Investments keine
Renditen bringen. Eine Reihe von
Untersuchungen hat ergeben, dass gerade
Unternehmen, die nachhaltig agieren,
eine bessere Wertentwicklung zeigen als
andere. Ein nachhaltiges
Engagement ist bisher, zu einem
gewissen Maße, nur bei Kirchen und
Stiftungen festzustellen.
Anders sieht es dagegen bei den großen
Versorgungskassen aus. Dabei wären
gerade sie aufgrund ihrer Größe, ihres
langfristigen Anlagehorizonts und ihrer
Unabhängigkeit in aller Regel dazu
geeignet, die Gesamtperspektiven von
unterschiedlichen Interessenlagern wie
Mitarbeitern, Kunden und der
Gesellschaft zu betrachten und dem
Kapitalmarkt sozialverträgliche
Komponenten abzuverlangen. Voraussetzung
hierfür ist natürlich, dass der Umgang
mit der Anlagemacht kontrolliert,
behutsam und unter Einschaltung ethisch
motivierter und unabhängiger Berater
geschieht. Nichts ist so schlimm für
einen hypersensiblen Kapitalmarkt wie
Interessenverquickung und Intransparenz.
In anderen Ländern haben solche
Versorgungskassen es bereits erfolgreich
vorgemacht: Calpers beispielsweise, die
Pensionskasse der kalifornischen
Staatsbediensteten, ist mit einem
Volumen von 165 Mrd. Dollar einer der
größten Pensionsfonds der Welt und
nachhaltig investiert. Wiederholte Male
hat Calpers erheblichen Druck auf
Unternehmen ausüben können, die ihrer
Verantwortung bei Menschenrechten,
Umwelt und Sozialpolitik nicht
nachgekommen sind.
Ein weiteres Beispiel ist der
niederländische Pensionsfonds PGGM mit
einem Volumen von rund 60 Mrd. Euro.
PGGM, der die Interessen von rund 1,6
Millionen Arbeitnehmern aus dem Sozial-
und Gesundheitssektor vertritt,
reklamiert für sich das "nachhaltige
Anlegen" aus der Überzeugung heraus,
dass solche nachhaltigen Aktienanlagen
einen Mehrwert erbringen.
Unternehmen, die aus Sicht von PGGM zu
ihrer Verantwortung bei Menschenrechten,
Umwelt und Sozialpolitik stehen,
zeichneten sich meist durch ein
vorausschauendes Management aus. Die
Selektion und Investition erfolgt in
Unternehmen, die die Anforderungen der
Corporate- Governance-Prinzipien voll
erfüllen, weil mit diesen - nach Ansicht
des Fonds - die Gewinn- und
Wertentwicklung des Unternehmens positiv
korreliert sind. Vor einigen Tagen hat
die Vereinigung der holländischen
Industrie- Pensionsfonds einen "Pension
Governance Code" herausgegeben und damit
ein bedeutendes politisches Zeichen
gesetzt.
In Deutschland hingegen wird dem
Corporate-Governance-Aspekt des
langfristig verantwortungsvollen
Handelns noch zu wenig Bedeutung
beigemessen. Das öffentliche Interesse
aber an der sozialen Verantwortung von
Unternehmen wird auch in Deutschland
überbetriebliche Anbieter von
Pensionskassen und -fonds dazu bringen,
entsprechende Profile zu entwickeln und
diese zu vermarkten. Nicht zuletzt
seitdem der Wettbewerb um die
Altersversorgungsmittel entbrannt ist
und die Pensionskassen durch ihre
bevorzugte Behandlung im
Rentenreformgesetz ein attraktiver
Durchführungsweg sind, sind auch sie auf
Wachstum ausgelegt.
‚carespektives’ Marketing
Schon aus Marketingerwägungen heraus
werden sich viele Kassen diesem Thema
widmen, eröffnet es doch die
Möglichkeit, sich ein eigenes Profil zu
verschaffen und sich auch durch
sozialwirtschaftliches
Finanzmanagement von weiteren
Anbietern abzuheben. Es bleibt die
Frage, wie diese Institutionen mit ihrer
neu gewonnenen Macht umgehen werden.
Noch ist das in Deutschland offen und
ungeklärt. Während einige der Akteure
bereits "Pension-Governance-Regeln"
fordern, wollen andere Marktteilnehmer
keinerlei Einflussnahme. Von einer
aktiven gesellschaftlich
verantwortungsvollen Haltung
hinsichtlich der Forderungen, die man
als Investor an Unternehmen stellen
sollte, darf das aber nicht abhalten.
Quelle:
Faros Consulting, Pension & Asset
Advisory, GF Uwe Rieken -
Unternehmensberatung, die
institutionelle Kapitalanleger bei der
Auswahl von Fonds und der Gestaltung
ihrer Anlagepolitik berät.
Stand: 2006