Carespektive Infothek
bAV in Deutschland: Wenig Rationalität
bei der Anlage der Pensions-Milliarden?
Hinkt Deutschland bei der Verwaltung der
Deckungsmittel in der betrieblichen
Vorsorge der internationalen Entwicklung
tatsächlich hinterher, oder ist das nur
ein Vorurteil? Regiert noch viel zu häufig
das Hausbank-Prinzip, und steigt die
Nachfrage nach externem Investment
Consulting? Redezeit für Alf Gohdes.
Fragen: Pascal Bazzazi
Antworten: Alfred E. Gohdes, Watson
Wyatt Heissmann GmbH, Aktuar und
Geschäftsführer
dpn: Herr Gohdes, welche sind
für Sie als Berater die drei
wichtigsten Themen, die die
betriebliche Altersversorgung 2008
dominieren werden?
Gohdes: Für uns natürlich zuerst – und
derzeit hochaktuell – das Investment
Consulting auf der Ebene der
strategischen Asset Allocation, dann die
Änderungen der nationalen und
internationalen Rechnungslegung, und
schließlich die Weiterentwicklung der
Governance in der betrieblichen
Vorsorge, um die zwei Seiten der bAV –
nämlich die Personalseite und die
Investmentseite – in engere Abstimmung
zu bringen.
dpn: Zuweilen kann man den
Eindruck gewinnen, dass selbst große
Unternehmen in Deutschland ihre
Pension Fund Assets etwas
stiefmütterlich managen. Beispielhaft
seien hier Vorbehalte gegenüber der
Anlageform Aktie genannt.
Teilen Sie diesen Eindruck?
Gohdes: Nun, auch mit Bonds lassen sich
geschickte Vermögensaufteilungen
gestalten. Allerdings denke ich auch,
dass ein modernes, langfristig
ausgerichtetes Asset Management von
Pensionsgeldern nicht auf Sachwerte –
insbesondere nicht auf die Aktie –
verzichten kann. Wir beraten
Pensionseinrichtungen im In- und
Ausland, die nachhaltig und sehr
erfolgreich Aktienquoten von circa 40
bis 50 Prozent fahren, und dies auch in
der Baisse 2001 bis 2003 durchgehalten
haben.
dpn: Sind also
Pensionseinrichtungen im Ausland per
se affiner für Investments und Aktien
als hierzulande?
Gohdes: Die Unterschiede in den
Investment-Philosophien sind nicht so
groß. Eine ganze Reihe von Firmen und
Versorgungseinrichtungen sind in ihrer
ganzen Vermögensverwaltung durchaus sehr
professionell. Generell möchte ich nur
hervorheben, dass Pensionseinrichtungen
beispielsweise in den USA und im
Vereinigten Königreich viel
selbstverständlicher ein externes
Investment Consulting in Anspruch nehmen
als anderswo. Das hat allerdings auch
teilweise seine Begründung in der
gesetzlichen Verantwortung des
Treuhänders in diesen beiden Ländern.
dpn: In Deutschland dominiert
eher noch die Hausbank. Gilt das denn
auch für Großunternehmen, gar für
Dax-Werte?
Gohdes: Glauben Sie mir, es ist immer
wieder erstaunlich zu sehen, mit welch
wenig rationalen Entscheidungsprozessen
selbst größte Volumina der betrieblichen
Vorsorge investiert werden. Hier haben
viele Länder, nicht nur Deutschland,
sicherlich noch Nachholbedarf.
dpn: Geht denn zumindest der
Trend in die richtige Richtung? Die
Kapitalmärkte haben ja gerade
bewiesen, dass sie in ihrer
Komplexität nicht berechenbarer
werden.
Gohdes: Wenn in Deutschland der Trend
bei Pension Fund Assets in Richtung
externes Investment Consulting geht,
dann ist er zumindest derzeit noch nicht
sehr ausgeprägt. Wir würden uns
natürlich eine Weiterentwicklung
wünschen. Vielleicht führen ja die
jüngsten Verwerfungen an den
Kapitalmärkten zu mehr Bereitschaft,
umfangreiches externes Investment
Consulting in Anspruch zu nehmen.
dpn: Wenn aber schon die
Aktivseite oft unbefriedigend betreut
wird, was ist denn dann erst mit der
Passivseite, also den eigentlichen
Pensionslasten und ihrer dynamischen
Biometrik im Zusammenwirken mit den
Assets? Investment ist das eine,
Liability Driven Investment das – noch
komplexere – andere. Findet LDI in
Deutschland auf breiter Front statt?
Oder herrscht simples Absolute Return
auf der Aktivseite vor?
Gohdes: Firmen haben zusammen mit ihren
Beratern die Passivseite ganz gut im
Griff, so gut, wie das eben geht. Ein
Verständnis der Risiken ist also
generell vorhanden, auch wenn es noch
einiges zu tun gibt. Sie sprechen einen
zentralen Aspekt an, nämlich das
Zusammenspiel zwischen den Liabilities
und den Assets. Wir werden manchmal mit
der für mich nicht nachvollziehbaren
Einschätzung konfrontiert, dass der
Anleger die Beratung der einen Seite der
Medaille bewusst von der anderen
trennen, also zwei unterschiedliche
Berater einsetzen möchte. Welcher Ansatz
simpel oder komplex ist, dazu möchte ich
mich hier nicht äußern, aber – und das
ist eine persönliche Meinung – ich halte
von LDI, wenn es sich um reines Matching
mit Bonds handelt, von Sondersituationen
abgesehen, rein gar nichts.
dpn: Welche Rolle wird –
bezüglich der Aktiv- wie der
Passivseite – hier die
Weiterentwicklung und das Vordringen
der internationalen
Rechnungslegungsvorschriften spielen?
Gohdes: Das britische Accounting
Standards Board hat soeben einen
Diskussionsentwurf veröffentlicht, der
unter anderem als Steilvorlage für das
International Accounting Standards Board
gemeint ist. Nach einem flüchtigen Lesen
halte ich eine ganze Reihe von Ansätzen
für gut, einige für interessant, einige
allerdings auch für insular.
dpn: In den vergangenen Jahren
haben Strukturierer fast alles
verbrieft, was sich irgendwie
verbriefen ließ: private und
gewerbliche Hypotheken,
Konsumentenkredite,
Anleihenausfallversicherungen et
cetera. Werden irgendwann verbriefte
Pensionslasten an den Kapitalmärkten
auftauchen?
Gohdes: Ich denke, dass dem erhebliche
Probleme entgegenstünden, sei es die
Berücksichtigung beispielsweise der
Gehalts-, Inflations- oder der
demografischen Entwicklung. Ich sehe
eher, dass in Zukunft verstärkt
Hedging-Instrumente Verwendung finden,
beispielsweise zur Absicherung der
Langlebigkeit.
dpn: Bisher haben
ausschließlich Finanzdienstleister
Abschreibungen infolge der
Hypothekenkrise vorgenommen. Aber auch
die milliardenschweren CTAs der großen
Industrieunternehmen dürften Anleihen
unterschiedlichster Struktur im
Bestand haben. Drohen unangenehme
Überraschungen aus der Industrie, mit
denen die Märkte noch gar nicht
rechnen?
Gohdes: Möglich ist alles, aber für
sehr wahrscheinlich halte ich das nicht,
erst recht nicht auf breiter Front.
dpn: Sie sprachen zu Beginn
auch die Weiterentwicklung der
Governance in der bAV an, um Personal-
und Investmentseite in Einklang zu
bringen. Welche Notwendigkeiten sehen
Sie hier ganz konkret?
Gohdes: Corporate-Governance-Ansätze
tangieren auch Benefits. Hier gibt es
nicht nur in Deutschland noch viel zu
verbessern. Konkret beraten wir unsere
Mandaten dahin gehend, basierend auf den
aus der internationalen Rechnungslegung
gewonnen Erkenntnissen ein
gewissenhaftes Controlling
weiterzuentwickeln oder gar aufzubauen.
dpn: Wer hat nach der 9.
VAG-Novelle die Nase in Deutschland
zukünftig vorn, der Pensionsfonds oder
das Contractual Trust Arrangement?
Gohdes: Nun, beide haben natürlich ihre
Daseinsberechtigung. Der Pensionsfonds
hat mit der 9. VAG-Novelle echte
Verbesserungen erfahren. Insofern dürfte
dieser Durchführungsweg in Zukunft
weiter Marktanteile gewinnen, derzeit
liegt er bei etwa zwei Prozent der
Aktiven. Ohne Namen nennen zu wollen,
kann ich sagen, dass eine ganze Reihe
von Unternehmen den Pensionsfonds
prüfen. Ungeachtet dessen muss der
Pensionsfonds in Deutschland noch
konkurrenzfähiger werden, gerade im
Vergleich mit dem europäischen Ausland.
Das betrifft die gesetzlichen
Rahmenbedingungen wie die
aufsichtsrechtliche Praxis.
dpn: Anders als in
Liechtenstein aufgelegte Pensionsfonds
dürfen deutsche Pensionsfonds immer
noch nicht die volle Kapitalauszahlung
anbieten. Das macht die Auslagerung
von Pensionslasten bei zugesagten
Kapitalauszahlungen für die
Unternehmen schwieriger und bedeutet
den längeren Umgang mit biometrischen
Risiken. Spielt das bei Standortfragen
eine Rolle?
Gohdes: Es gibt durchaus Unternehmen,
die sehr klare Vorstellungen bezüglich
des Umgangs mit ihren
Pensionsverpflichtungen haben und, nicht
zuletzt aus Gründen des biometrischen
Risikos, lebenslange Rentenleistungen
vermeiden wollen. Ob es aber deswegen zu
weiteren Verlagerungen ins Ausland
kommt, bleibt abzuwarten. Kurzfristige
Anpassungen der Gesetzeslage in dieser
Frage erwarte ich jedenfalls nicht.
dpn: Steht die reine
Beitragszusage in Deutschland in
absehbarer Zeit auf der Tagesordnung?
Gohdes: Derzeit sicher nicht. Ich gehe
zumindest – im Rahmen unserer sozialen
Marktwirtschaft – nicht von einem
Aufweichen der Null-Prozent-Garantie
durch den Gesetzgeber aus. Die
Unstetigkeit der Kapitalmärkte befördert
einen solchen Prozess auch nicht gerade.
Und in einigen kontinentaleuropäischen
Ländern sind in der betrieblichen
Vorsorge ja sogar Mindestrenditen weit
über der Null vorgeschrieben.
dpn: Die EU-Richtlinie scheint
wider Erwarten zu neuem Leben erwacht,
mit einer für Deutschland
möglicherweise nachteiligen
Ausgestaltung in Fragen der
Unverfallbarkeitsfristen, die bei
einem grenzüberschreitenden Wechsel
des Arbeitsplatzes bei nur zwei Jahren
liegen sollen. Wie bewerten Sie dies?
Gohdes: Deutschland ist mittlerweile
gut positioniert, um sich im Vorfeld in
Fragen auf europäischer Ebene Gehör zu
verschaffen. Die Arbeitsgemeinschaft für
betriebliche Altersversorgung aba bleibt
bei diesen Themen neuerdings sehr dicht
am Ball. Das war noch vor gar nicht
langer Zeit überhaupt nicht der Fall; da
haben wir nur im Nachhinein meckern
können. Die mögliche Einführung der
Zwei-Jahres-Frist ist eher ein
untergeordnetes Kostenthema.
Unzufriedenheit regt sich vielmehr auf
der Ebene der unzureichenden
steuerlichen Flankierung sowie wegen der
durch die neuen Anforderungen
entstandenen substanziellen Erweiterung
des zu verwaltenden Personenkreises.
Verglichen mit den seinerzeit
angestrebten Änderungen ist die neue
Bestimmung nur ein kleiner Schritt.
Quelle:
Deutsche Pensions- und
Investmentnachrichten dpn-Ausgabe
März/April 2008