Carespektive Infothek

Pensionsrisiken werden zum Vorstands-Thema

Welche Pensionspläne sind mittelfristig gut gerüstet? 

Risk-Management und Kapitalanlage von Pensionsvermögen 2015    

bAV in Deutschland: Wenig Rationalität bei der Anlage der Pensions-Milliarden?


Hinkt Deutschland bei der Verwaltung der Deckungsmittel in der betrieblichen Vorsorge der internationalen Entwicklung tatsächlich hinterher, oder ist das nur ein Vorurteil? Regiert noch viel zu häufig das Hausbank-Prinzip, und steigt die Nachfrage nach externem Investment Consulting? Redezeit für Alf Gohdes.

Fragen: Pascal Bazzazi
Antworten: Alfred E. Gohdes, Watson Wyatt Heissmann GmbH, Aktuar und Geschäftsführer

dpn: Herr Gohdes, welche sind für Sie als Berater die drei wichtigsten Themen, die die betriebliche Altersversorgung 2008 dominieren werden?

Gohdes: Für uns natürlich zuerst – und derzeit hochaktuell – das Investment Consulting auf der Ebene der strategischen Asset Allocation, dann die Änderungen der nationalen und internationalen Rechnungslegung, und schließlich die Weiterentwicklung der Governance in der betrieblichen Vorsorge, um die zwei Seiten der bAV – nämlich die Personalseite und die Investmentseite – in engere Abstimmung zu bringen.

dpn: Zuweilen kann man den Eindruck gewinnen, dass selbst große Unternehmen in Deutschland ihre Pension Fund Assets etwas stiefmütterlich managen. Beispielhaft seien hier Vorbehalte gegenüber der Anlageform Aktie genannt.

Teilen Sie diesen Eindruck?

Gohdes: Nun, auch mit Bonds lassen sich geschickte Vermögensaufteilungen gestalten. Allerdings denke ich auch, dass ein modernes, langfristig ausgerichtetes Asset Management von Pensionsgeldern nicht auf Sachwerte – insbesondere nicht auf die Aktie – verzichten kann. Wir beraten Pensionseinrichtungen im In- und Ausland, die nachhaltig und sehr erfolgreich Aktienquoten von circa 40 bis 50 Prozent fahren, und dies auch in der Baisse 2001 bis 2003 durchgehalten haben.

dpn: Sind also Pensionseinrichtungen im Ausland per se affiner für Investments und Aktien als hierzulande?

Gohdes: Die Unterschiede in den Investment-Philosophien sind nicht so groß. Eine ganze Reihe von Firmen und Versorgungseinrichtungen sind in ihrer ganzen Vermögensverwaltung durchaus sehr professionell. Generell möchte ich nur hervorheben, dass Pensionseinrichtungen beispielsweise in den USA und im Vereinigten Königreich viel selbstverständlicher ein externes Investment Consulting in Anspruch nehmen als anderswo. Das hat allerdings auch teilweise seine Begründung in der gesetzlichen Verantwortung des Treuhänders in diesen beiden Ländern.

dpn: In Deutschland dominiert eher noch die Hausbank. Gilt das denn auch für Großunternehmen, gar für Dax-Werte?

Gohdes: Glauben Sie mir, es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, mit welch wenig rationalen Entscheidungsprozessen selbst größte Volumina der betrieblichen Vorsorge investiert werden. Hier haben viele Länder, nicht nur Deutschland, sicherlich noch Nachholbedarf.

dpn: Geht denn zumindest der Trend in die richtige Richtung? Die Kapitalmärkte haben ja gerade bewiesen, dass sie in ihrer Komplexität nicht berechenbarer werden.

Gohdes: Wenn in Deutschland der Trend bei Pension Fund Assets in Richtung externes Investment Consulting geht, dann ist er zumindest derzeit noch nicht sehr ausgeprägt. Wir würden uns natürlich eine Weiterentwicklung wünschen. Vielleicht führen ja die jüngsten Verwerfungen an den Kapitalmärkten zu mehr Bereitschaft, umfangreiches externes Investment Consulting in Anspruch zu nehmen.

dpn: Wenn aber schon die Aktivseite oft unbefriedigend betreut wird, was ist denn dann erst mit der Passivseite, also den eigentlichen Pensionslasten und ihrer dynamischen Biometrik im Zusammenwirken mit den Assets? Investment ist das eine, Liability Driven Investment das – noch komplexere – andere. Findet LDI in Deutschland auf breiter Front statt? Oder herrscht simples Absolute Return auf der Aktivseite vor?

Gohdes: Firmen haben zusammen mit ihren Beratern die Passivseite ganz gut im Griff, so gut, wie das eben geht. Ein Verständnis der Risiken ist also generell vorhanden, auch wenn es noch einiges zu tun gibt. Sie sprechen einen zentralen Aspekt an, nämlich das Zusammenspiel zwischen den Liabilities und den Assets. Wir werden manchmal mit der für mich nicht nachvollziehbaren Einschätzung konfrontiert, dass der Anleger die Beratung der einen Seite der Medaille bewusst von der anderen trennen, also zwei unterschiedliche Berater einsetzen möchte. Welcher Ansatz simpel oder komplex ist, dazu möchte ich mich hier nicht äußern, aber – und das ist eine persönliche Meinung – ich halte von LDI, wenn es sich um reines Matching mit Bonds handelt, von Sondersituationen abgesehen, rein gar nichts.

dpn: Welche Rolle wird – bezüglich der Aktiv- wie der Passivseite – hier die Weiterentwicklung und das Vordringen der internationalen Rechnungslegungsvorschriften spielen?

Gohdes: Das britische Accounting Standards Board hat soeben einen Diskussionsentwurf veröffentlicht, der unter anderem als Steilvorlage für das International Accounting Standards Board gemeint ist. Nach einem flüchtigen Lesen halte ich eine ganze Reihe von Ansätzen für gut, einige für interessant, einige allerdings auch für insular.

dpn: In den vergangenen Jahren haben Strukturierer fast alles verbrieft, was sich irgendwie verbriefen ließ: private und gewerbliche Hypotheken, Konsumentenkredite, Anleihenausfallversicherungen et cetera. Werden irgendwann verbriefte Pensionslasten an den Kapitalmärkten auftauchen?

Gohdes: Ich denke, dass dem erhebliche Probleme entgegenstünden, sei es die Berücksichtigung beispielsweise der Gehalts-, Inflations- oder der demografischen Entwicklung. Ich sehe eher, dass in Zukunft verstärkt Hedging-Instrumente Verwendung finden, beispielsweise zur Absicherung der Langlebigkeit.

dpn: Bisher haben ausschließlich Finanzdienstleister Abschreibungen infolge der Hypothekenkrise vorgenommen. Aber auch die milliardenschweren CTAs der großen Industrieunternehmen dürften Anleihen unterschiedlichster Struktur im Bestand haben. Drohen unangenehme Überraschungen aus der Industrie, mit denen die Märkte noch gar nicht rechnen?

Gohdes: Möglich ist alles, aber für sehr wahrscheinlich halte ich das nicht, erst recht nicht auf breiter Front.

dpn: Sie sprachen zu Beginn auch die Weiterentwicklung der Governance in der bAV an, um Personal- und Investmentseite in Einklang zu bringen. Welche Notwendigkeiten sehen Sie hier ganz konkret?

Gohdes: Corporate-Governance-Ansätze tangieren auch Benefits. Hier gibt es nicht nur in Deutschland noch viel zu verbessern. Konkret beraten wir unsere Mandaten dahin gehend, basierend auf den aus der internationalen Rechnungslegung gewonnen Erkenntnissen ein gewissenhaftes Controlling weiterzuentwickeln oder gar aufzubauen.

dpn: Wer hat nach der 9. VAG-Novelle die Nase in Deutschland zukünftig vorn, der Pensionsfonds oder das Contractual Trust Arrangement?

Gohdes: Nun, beide haben natürlich ihre Daseinsberechtigung. Der Pensionsfonds hat mit der 9. VAG-Novelle echte Verbesserungen erfahren. Insofern dürfte dieser Durchführungsweg in Zukunft weiter Marktanteile gewinnen, derzeit liegt er bei etwa zwei Prozent der Aktiven. Ohne Namen nennen zu wollen, kann ich sagen, dass eine ganze Reihe von Unternehmen den Pensionsfonds prüfen. Ungeachtet dessen muss der Pensionsfonds in Deutschland noch konkurrenzfähiger werden, gerade im Vergleich mit dem europäischen Ausland. Das betrifft die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie die aufsichtsrechtliche Praxis.

dpn: Anders als in Liechtenstein aufgelegte Pensionsfonds dürfen deutsche Pensionsfonds immer noch nicht die volle Kapitalauszahlung anbieten. Das macht die Auslagerung von Pensionslasten bei zugesagten Kapitalauszahlungen für die Unternehmen schwieriger und bedeutet den längeren Umgang mit biometrischen Risiken. Spielt das bei Standortfragen eine Rolle?

Gohdes: Es gibt durchaus Unternehmen, die sehr klare Vorstellungen bezüglich des Umgangs mit ihren Pensionsverpflichtungen haben und, nicht zuletzt aus Gründen des biometrischen Risikos, lebenslange Rentenleistungen vermeiden wollen. Ob es aber deswegen zu weiteren Verlagerungen ins Ausland kommt, bleibt abzuwarten. Kurzfristige Anpassungen der Gesetzeslage in dieser Frage erwarte ich jedenfalls nicht.

dpn: Steht die reine Beitragszusage in Deutschland in absehbarer Zeit auf der Tagesordnung?

Gohdes: Derzeit sicher nicht. Ich gehe zumindest – im Rahmen unserer sozialen Marktwirtschaft – nicht von einem Aufweichen der Null-Prozent-Garantie durch den Gesetzgeber aus. Die Unstetigkeit der Kapitalmärkte befördert einen solchen Prozess auch nicht gerade. Und in einigen kontinentaleuropäischen Ländern sind in der betrieblichen Vorsorge ja sogar Mindestrenditen weit über der Null vorgeschrieben.

dpn: Die EU-Richtlinie scheint wider Erwarten zu neuem Leben erwacht, mit einer für Deutschland möglicherweise nachteiligen Ausgestaltung in Fragen der Unverfallbarkeitsfristen, die bei einem grenzüberschreitenden Wechsel des Arbeitsplatzes bei nur zwei Jahren liegen sollen. Wie bewerten Sie dies?

Gohdes: Deutschland ist mittlerweile gut positioniert, um sich im Vorfeld in Fragen auf europäischer Ebene Gehör zu verschaffen. Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung aba bleibt bei diesen Themen neuerdings sehr dicht am Ball. Das war noch vor gar nicht langer Zeit überhaupt nicht der Fall; da haben wir nur im Nachhinein meckern können. Die mögliche Einführung der Zwei-Jahres-Frist ist eher ein untergeordnetes Kostenthema. Unzufriedenheit regt sich vielmehr auf der Ebene der unzureichenden steuerlichen Flankierung sowie wegen der durch die neuen Anforderungen entstandenen substanziellen Erweiterung des zu verwaltenden Personenkreises. Verglichen mit den seinerzeit angestrebten Änderungen ist die neue Bestimmung nur ein kleiner Schritt.

Quelle: Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten dpn-Ausgabe März/April 2008

 
 
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